Die Standardisierung ist ein Grundpfeiler der modernen Netzwerktechnik. Sie gewährleistet die Interoperabilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller und ermöglicht den Aufbau heterogener Netzwerke, in denen unterschiedliche Komponenten nahtlos zusammenarbeiten. Standards definieren präzise, wie Daten auf der physikalischen Ebene übertragen werden, welche Signalformen und Kodierungen zum Einsatz kommen und welche elektrischen oder optischen Charakteristika eingehalten werden müssen.
In diesem Kapitel betrachten wir die wichtigsten Standards für die physikalische Schicht verschiedener Netzwerktechnologien. Wir konzentrieren uns dabei auf drei zentrale Bereiche: Ethernet als dominierende Technologie in lokalen Netzwerken, DSL als wichtige Zugangstechnologie im Breitbandbereich und WLAN-Standards für drahtlose Netzwerke. Für jeden dieser Bereiche werden die historische Entwicklung, technische Grundlagen und aktuelle Ausprägungen der Standards beleuchtet.
Die Standardisierung bietet zahlreiche Vorteile für Hersteller, Netzwerkbetreiber und Endanwender:
Die Entwicklung von Netzwerkstandards erfolgt durch verschiedene Organisationen, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte und Zuständigkeiten haben:
IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers): Der IEEE ist besonders durch seine 802-Arbeitsgruppen bekannt, die Standards für lokale Netzwerke entwickeln. Dazu gehören IEEE 802.3 (Ethernet) und IEEE 802.11 (WLAN).
ITU-T (International Telecommunication Union - Telecommunication Standardization Sector): Die ITU-T ist für Telekommunikationsstandards zuständig, darunter die xDSL-Familie und Breitbandtechnologien.
IETF (Internet Engineering Task Force): Die IETF entwickelt Standards für das Internet, darunter TCP/IP und andere Protokolle höherer Schichten, die auf der physikalischen Ebene aufbauen.
ISO (International Organization for Standardization): Die ISO arbeitet an übergreifenden Standardisierungsprojekten, oft in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.
ETSI (European Telecommunications Standards Institute): Das ETSI entwickelt Standards für Europa, spielt aber auch global eine wichtige Rolle, insbesondere bei Mobilfunktechnologien.
Wi-Fi Alliance: Ein Industriekonsortium, das die Interoperabilität von WLAN-Produkten auf Basis der IEEE-802.11-Standards zertifiziert.
Broadband Forum: Ehemals DSL Forum, konzentriert sich auf Standards und Technologien für Breitbandzugang.
Diese Organisationen arbeiten oft zusammen, um kohärente Standards zu entwickeln, die verschiedene Aspekte des Netzwerkbetriebs abdecken.
Ethernet hat sich seit seiner Einführung in den 1970er Jahren zur dominierenden Technologie in lokalen Netzwerken entwickelt. Der IEEE 802.3 Standard definiert die physikalische Schicht (PHY) und die Medienzugriffssteuerung (MAC) für Ethernet. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Erweiterungen und Verbesserungen eingeführt, die höhere Geschwindigkeiten, größere Reichweiten und neue Medientypen unterstützen.
Die Ethernet-Standards verwenden eine spezifische Nomenklatur, die wichtige Eigenschaften kodiert:
<Datenrate><Übertragung><Medium>-<Spezifikation>
Beispiele: - 10BASE-T: 10 Mbit/s, Baseband-Übertragung, Twisted-Pair-Kabel - 1000BASE-SX: 1 Gbit/s, Baseband-Übertragung, Short-Wavelength über Multimode-Glasfaser - 40GBASE-LR4: 40 Gbit/s, Baseband-Übertragung, Long-Range über Singlemode-Glasfaser mit 4 Wellenlängen
Die Entwicklung von Ethernet ist gekennzeichnet durch eine kontinuierliche Steigerung der Übertragungsgeschwindigkeiten:
10 Mbit/s Ethernet (IEEE 802.3): Der ursprüngliche Ethernet-Standard mit Varianten wie: - 10BASE5: “Thick Ethernet”, Koaxialkabel mit 500m maximaler Segmentlänge - 10BASE2: “Thin Ethernet”, dünneres Koaxialkabel mit 185m maximaler Segmentlänge - 10BASE-T: Twisted-Pair-Verkabelung, Stern-Topologie, 100m maximale Kabellänge - 10BASE-FL: Glasfaser-Verbindung, bis zu 2km Reichweite
Fast Ethernet (IEEE 802.3u, 100 Mbit/s): - 100BASE-TX: Twisted-Pair-Kabel Cat 5 oder höher, zwei Adernpaare - 100BASE-FX: Multimode-Glasfaser - 100BASE-T4: Verwendung von vier Adernpaaren bei Cat 3 Kabeln
Gigabit Ethernet (IEEE 802.3z/ab, 1 Gbit/s): - 1000BASE-T: Twisted-Pair-Kabel Cat 5e oder höher, alle vier Adernpaare - 1000BASE-SX: Multimode-Glasfaser für Kurzstrecken - 1000BASE-LX: Mono- oder Multimode-Glasfaser für längere Strecken
10 Gigabit Ethernet (IEEE 802.3ae/an, 10 Gbit/s): - 10GBASE-T: Twisted-Pair-Kabel Cat 6A oder höher, bis zu 100m - 10GBASE-SR: Multimode-Glasfaser für Kurzstrecken - 10GBASE-LR: Singlemode-Glasfaser für Langstrecken (bis 10km) - 10GBASE-ER: Singlemode-Glasfaser für Langstrecken (bis 40km)
40/100 Gigabit Ethernet (IEEE 802.3ba, 40/100 Gbit/s): - 40GBASE-SR4: Multimode-Glasfaser mit 4 Lanes - 40GBASE-LR4: Singlemode-Glasfaser mit 4 Wellenlängen - 100GBASE-SR10: Multimode-Glasfaser mit 10 Lanes - 100GBASE-LR4: Singlemode-Glasfaser mit 4 Wellenlängen
Neuere Standards (IEEE 802.3by/bs/cd, 25/50/200/400 Gbit/s): - 25GBASE-T: 25 Gbit/s über Twisted-Pair - 50GBASE-SR: 50 Gbit/s über Multimode-Glasfaser - 200GBASE-DR4: 200 Gbit/s über 4 Singlemode-Glasfasern - 400GBASE-SR16: 400 Gbit/s über 16 Multimode-Glasfasern
Die verschiedenen Ethernet-Standards verwenden unterschiedliche physikalische Techniken zur Signalübertragung:
Leitungskodierung: - Manchester-Kodierung (10 Mbit/s) - 4B/5B + MLT-3 (100BASE-TX) - 8B/10B (1000BASE-X) - PAM-5 (1000BASE-T) - 64B/66B (10 Gbit/s und höher)
Modulationstechniken: - NRZ (Non-Return-to-Zero) bei frühen Varianten - MLT-3 (Multi-Level Transmission, 3 Levels) bei 100BASE-TX - PAM-5 (Pulse Amplitude Modulation, 5 Levels) bei 1000BASE-T - DSQ128 (Double Square 128) bei 10GBASE-T
Signalverarbeitung: - Adaptive Entzerrung zur Kompensation von Kabeleigenschaften - Echokompensation bei gleichzeitiger Nutzung desselben Adernpaars für Senden und Empfangen - Forward Error Correction (FEC) bei höheren Übertragungsraten - Pre-Emphasis und De-Emphasis zur Verbesserung der Signalqualität
Kabelanforderungen: - Category 3 UTP für 10BASE-T - Category 5e UTP für 1000BASE-T - Category 6A UTP für 10GBASE-T - Category 8 für 25GBASE-T und 40GBASE-T
Optische Eigenschaften: - Verschiedene Wellenlängen: 850nm (SR), 1310nm (LR), 1550nm (ER) - Lichtquellen: LEDs für niedrigere Geschwindigkeiten, Laser für höhere Geschwindigkeiten - Fasertypen: OM1-OM5 (Multimode), OS1/OS2 (Singlemode)
Mit zunehmender Verbreitung von Ethernet-Verbindungen wurde auch der Energieverbrauch zu einem wichtigen Thema. Der IEEE 802.3az Standard (Energy Efficient Ethernet, EEE) wurde 2010 eingeführt und definiert Mechanismen zur Reduzierung des Energieverbrauchs bei geringer Netzwerkauslastung:
EEE kann den Energieverbrauch einer Ethernet-Verbindung um bis zu 80% reduzieren, ohne die Leistungsfähigkeit oder Verfügbarkeit wesentlich zu beeinträchtigen.
Power over Ethernet (PoE) ermöglicht die Stromversorgung von Netzwerkgeräten über das Ethernet-Kabel und eliminiert damit die Notwendigkeit separater Stromkabel:
IEEE 802.3af (PoE): - Bis zu 15,4W Leistung am Power Sourcing Equipment (PSE) - Mindestens 12,95W am Powered Device (PD) - Unterstützung für Geräte der Klasse 0-3
IEEE 802.3at (PoE+): - Bis zu 30W Leistung am PSE - Mindestens 25,5W am PD - Unterstützung für Geräte der Klasse 4
IEEE 802.3bt (4PPoE/PoE++): - Typ 3: Bis zu 60W am PSE, mindestens 51W am PD - Typ 4: Bis zu 100W am PSE, mindestens 71W am PD - Nutzung aller vier Adernpaare für die Stromversorgung - Unterstützung für Geräte der Klasse 5-8
PoE wird häufig für IP-Telefone, WLAN Access Points, Überwachungskameras und IoT-Geräte eingesetzt, da es die Installation vereinfacht und zentrale Stromversorgung mit Batteriepufferung ermöglicht.
DSL-Technologien nutzen bestehende Telefonleitungen (Kupfer-Twisted-Pair), um Breitband-Internetzugang zu ermöglichen. Die verschiedenen DSL-Varianten unterscheiden sich in Bezug auf Geschwindigkeit, Reichweite und Symmetrie der Datenübertragung.
DSL-Technologien basieren auf mehreren grundlegenden Konzepten:
Frequenzmultiplex (FDM): Bei den meisten DSL-Varianten werden verschiedene Frequenzbereiche für unterschiedliche Dienste genutzt: - Niedrige Frequenzen (0-4 kHz): Traditionelle Telefonie (POTS) - Mittlere bis hohe Frequenzen: Upstream (vom Kunden zum Provider) - Höhere Frequenzen: Downstream (vom Provider zum Kunden)
DMT-Modulation (Discrete Multi-Tone): - Aufteilung des verfügbaren Spektrums in viele schmale Subkanäle (Töne) - Individuelle Anpassung der Bitbeladung jedes Tons an die Kanalqualität - Dynamische Anpassung an Störungen durch kontinuierliche Neubewertung der Kanalcharakteristik
Echokompensation: Bei symmetrischen DSL-Varianten oder bei Überlappung von Up- und Downstream-Frequenzen wird Echokompensation eingesetzt, um die Interferenz zwischen gesendeten und empfangenen Signalen zu reduzieren.
ADSL ist die am weitesten verbreitete DSL-Variante und charakterisiert durch höhere Download- als Upload-Geschwindigkeiten:
ADSL (ITU-T G.992.1/G.DMT): - Downstream: Bis zu 8 Mbit/s - Upstream: Bis zu 1 Mbit/s - Reichweite: Ca. 5,5 km - Frequenzbereich: Bis zu 1,1 MHz
ADSL2 (ITU-T G.992.3): - Downstream: Bis zu 12 Mbit/s - Upstream: Bis zu 1,3 Mbit/s - Verbesserte Leistung bei längeren Leitungen - Schnellere Synchronisierung - Unterstützung für Standby-Modus zur Energieeinsparung
ADSL2+ (ITU-T G.992.5): - Downstream: Bis zu 24 Mbit/s - Upstream: Bis zu 3,3 Mbit/s - Erweiterter Frequenzbereich bis 2,2 MHz - Besonders effektiv bei kurzen Leitungslängen (< 1,5 km)
ADSL2++ (nicht standardisiert): - Erweiterung des Frequenzbereichs auf bis zu 3,75 MHz - Theoretische Downstream-Raten von bis zu 52 Mbit/s
VDSL bietet höhere Geschwindigkeiten als ADSL, jedoch mit geringerer Reichweite:
VDSL (ITU-T G.993.1): - Downstream: 55 Mbit/s bei kurzen Leitungen - Upstream: Bis zu 16 Mbit/s - Frequenzbereich bis 12 MHz - Typische Reichweite: 1,2 km
VDSL2 (ITU-T G.993.2): - Verschiedene Profile mit unterschiedlichen Frequenzbereichen (8, 12, 17, 30 MHz) - Downstream: Bis zu 100 Mbit/s bei sehr kurzen Leitungen - Upstream: Bis zu 100 Mbit/s (symmetrisch möglich) - Bandpläne für verschiedene regulatorische Umgebungen - Fallback zu ADSL2+ bei längeren Leitungen
VDSL2-Vectoring (ITU-T G.993.5): - Reduzierung von Übersprechen zwischen benachbarten Leitungen - Koordinierte Signalverarbeitung in der DSLAM für mehrere Anschlüsse - Wesentlich höhere reale Datenraten, besonders bei kurzen Leitungen - Nahezu Erreichen der theoretischen Maximalleistung
G.fast ist eine DSL-Technologie der nächsten Generation, die für sehr kurze Leitungslängen konzipiert ist:
G.fast (ITU-T G.9700/9701): - Frequenzbereich bis 106 MHz oder 212 MHz - Downstream/Upstream: Bis zu 1 Gbit/s (aggregiert) über sehr kurze Distanzen - Typische Einsatzreichweite: 100-250m - Time Division Duplexing (TDD) statt Frequency Division Duplexing (FDD) - Integrierte Vectoring-Technologie
XG.fast (experimentell, ITU-T G.9804): - Erweiterter Frequenzbereich bis 500 MHz - Aggregierte Datenraten bis zu 10 Gbit/s über wenige Meter - Vorgesehen für Einsatzszenarien mit Fiber-to-the-Building (FTTB)
Für geschäftliche Anwendungen wurden symmetrische DSL-Varianten entwickelt:
SHDSL (Symmetric High-speed DSL, ITU-T G.991.2): - Symmetrische Übertragungsraten bis zu 5,7 Mbit/s über zwei Adernpaare - Höhere Reichweite als ADSL bei gleicher Datenrate - Nutzung des gesamten Frequenzspektrums (keine Telefonie-Koexistenz) - Erweiterungen ermöglichen Geschwindigkeiten bis 22,8 Mbit/s
G.SHDSL.bis (ITU-T G.991.2 Amendment 2): - Erweiterung von SHDSL mit höheren Datenraten - Bis zu 5,7 Mbit/s pro Adernpaar - Möglichkeit der Bündelung mehrerer Paare (bis zu 4) - Erreicht bis zu 22,8 Mbit/s bei optimalen Bedingungen
DSL-Verbindungen erfordern spezielle Infrastrukturkomponenten:
DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer): - Zentrales Element in der DSL-Infrastruktur - Aggregiert zahlreiche DSL-Verbindungen - Trennt Sprach- und Datensignale - Verbindet DSL-Nutzer mit dem Backbone-Netzwerk des Providers
Network Termination (NT): - Kundenseitige Schnittstelle zwischen DSL-Leitung und Heimnetzwerk - Häufig integriert in einen DSL-Router oder ein DSL-Modem
Splitter/Filter: - Trennen das Frequenzspektrum für Telefonie und DSL - Verhindern gegenseitige Störungen
Backhaul: - Verbindung vom DSLAM zum Provider-Backbone - Typischerweise über Glasfaser realisiert - Muss ausreichend dimensioniert sein, um die aggregierte Bandbreite aller Kunden zu tragen
DSL-Technologien kämpfen mit verschiedenen technischen Einschränkungen:
Leitungslänge und Dämpfung: - Die Signaldämpfung steigt mit zunehmender Frequenz und Leitungslänge - Höhere Datenraten sind nur bei kürzeren Leitungen realisierbar - Moderne DSL-Varianten setzen eine Verkürzung der Kupferstrecke voraus (FTTC/FTTB)
NEXT und FEXT (Nahes und Fernes Nebensprechen): - Übersprechen zwischen benachbarten Leitungen im selben Kabel - Hauptursache für Leistungseinbußen in dicht belegten Kabeln - Wird durch Vectoring-Technologien bekämpft
Impulsstörungen und Rauschen: - Elektromagnetische Störquellen beeinflussen die Signalqualität - Moderne DSL-Standards implementieren robuste Fehlerkorrektur und Impulsrauschschutz
Interoperabilität und Migration: - Kompatibilität zwischen Geräten verschiedener Hersteller - Migrationsstrategien von älteren zu neueren DSL-Varianten - Koexistenz verschiedener Technologien im selben Kabel
WLAN-Technologien haben die Art und Weise, wie wir mit Netzwerken interagieren, grundlegend verändert. Sie ermöglichen den drahtlosen Zugang zu Netzwerkressourcen und dem Internet mit hoher Flexibilität. Die IEEE 802.11 Standardfamilie bildet die technische Grundlage für moderne WLANs.
WLAN-Netzwerke basieren auf einigen grundlegenden Konzepten:
Betriebsmodi: - Infrastrukturmodus: Clients kommunizieren über einen Access Point - Ad-hoc-Modus (auch: IBSS): Direkte Kommunikation zwischen Clients ohne Access Point - Mesh-Netzwerke (802.11s): Selbstorganisierende Netzwerke mit mehreren Access Points
Netzwerkidentifikation: - SSID (Service Set Identifier): Name eines WLAN-Netzwerks - BSSID (Basic Service Set Identifier): MAC-Adresse eines Access Points - ESS (Extended Service Set): Mehrere Access Points mit gleicher SSID
Frequenzbänder: - 2,4 GHz-Band (2,4-2,4835 GHz): Häufig genutzt, aber störanfällig - 5 GHz-Band (5,15-5,85 GHz): Weniger überfüllt, mehr verfügbare Kanäle - 6 GHz-Band (5,925-7,125 GHz): Neueste Erweiterung für Wi-Fi 6E
Kanalbreiten: - 20 MHz: Grundlegende Kanalbreite, von allen Standards unterstützt - 40 MHz: Eingeführt mit 802.11n, verdoppelte Bandbreite - 80 MHz: Eingeführt mit 802.11ac, vervierfachte Bandbreite - 160 MHz: Unterstützt von 802.11ac Wave 2 und neueren Standards
Die WLAN-Technologie hat eine kontinuierliche Evolution durchlaufen:
IEEE 802.11 (Legacy, 1997): - Datenraten: 1 und 2 Mbit/s - Frequenzbänder: 2,4 GHz - Modulationsverfahren: FHSS oder DSSS
IEEE 802.11b (1999): - Datenraten: bis zu 11 Mbit/s - Frequenzband: 2,4 GHz - Modulationsverfahren: DSSS und CCK - Reichweite: ca. 100m im Freien
IEEE 802.11a (1999): - Datenraten: bis zu 54 Mbit/s - Frequenzband: 5 GHz - Modulationsverfahren: OFDM - Weniger störanfällig, aber geringere Reichweite als 802.11b
IEEE 802.11g (2003): - Datenraten: bis zu 54 Mbit/s - Frequenzband: 2,4 GHz - Modulationsverfahren: OFDM und CCK (für Abwärtskompatibilität) - Kombiniert die Geschwindigkeit von 802.11a mit der Reichweite von 802.11b
IEEE 802.11n (Wi-Fi 4, 2009): - Datenraten: bis zu 600 Mbit/s (theoretisch) - Frequenzbänder: 2,4 GHz und 5 GHz - Wichtigste Neuerungen: - MIMO (Multiple Input Multiple Output): Mehrere Antennen für parallele Datenübertragung - Kanalbreiten von 20 oder 40 MHz - Frame Aggregation zur Effizienzsteigerung - Verbesserte Modulationstechniken
IEEE 802.11ac (Wi-Fi 5, 2013): - Datenraten: bis zu 6,9 Gbit/s (theoretisch) - Frequenzband: ausschließlich 5 GHz - Wichtigste Neuerungen: - MU-MIMO (Multi-User MIMO): Gleichzeitige Datenübertragung an mehrere Clients - Breitere Kanäle: 80 MHz und 160 MHz - Höhere Modulation: bis zu 256-QAM - Beamforming: Gezielte Ausrichtung des Signals
IEEE 802.11ax (Wi-Fi 6, 2019) und 802.11ax (Wi-Fi 6E, 2020): - Datenraten: bis zu 9,6 Gbit/s (theoretisch) - Frequenzbänder: 2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz (Wi-Fi 6E) - Wichtigste Neuerungen: - OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access): Effizientere Kanalnutzung - Bi-directional MU-MIMO: Gleichzeitige Übertragungen in beide Richtungen - BSS Coloring: Verbesserte Koexistenz in dichten Umgebungen - Target Wake Time (TWT): Verbessertes Energiemanagement - 1024-QAM Modulation - Längere OFDM-Symbole und GI (Guard Interval)
IEEE 802.11be (Wi-Fi 7, in Entwicklung): - Datenraten: bis zu 46 Gbit/s (theoretisch) - Frequenzbänder: 2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz - Geplante Neuerungen: - Kanalbreiten bis 320 MHz - 4096-QAM Modulation - Multi-Link Operation (MLO): Gleichzeitige Nutzung mehrerer Frequenzbänder - Multi-AP Coordination - Enhanced Link Adaptation und Retransmission Protocols
Die PHY-Spezifikationen definieren, wie WLAN-Signale übertragen und empfangen werden:
Modulationsverfahren: - BPSK (Binary Phase Shift Keying): 1 Bit pro Symbol, robust gegen Störungen - QPSK (Quadrature Phase Shift Keying): 2 Bits pro Symbol - 16-QAM bis 4096-QAM: 4 bis 12 Bits pro Symbol, höhere Datenraten bei besserer Signalqualität
Signalverarbeitung: - OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing): Aufteilung des Signals auf viele Subträger - DSSS (Direct Sequence Spread Spectrum): Spreiztechnik bei älteren Standards - OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access): Erweiterung von OFDM für mehrere Nutzer
MIMO-Technologien: - SU-MIMO (Single-User MIMO): Mehrere räumliche Streams zu einem Client - MU-MIMO (Multi-User MIMO): Gleichzeitige Streams zu verschiedenen Clients - Beamforming: Signalausrichtung zur Verbesserung der Signalstärke und Reduktion von Interferenzen
Guard Intervals: - Zeitlicher Abstand zwischen OFDM-Symbolen - Reduziert Intersymbolinterferenzen - 802.11ax führt längere GIs ein (3,2 µs) für robustere Übertragung
Die Mediumzugriffssteuerung (MAC) regelt, wie Geräte den gemeinsamen Funkkanal nutzen:
CSMA/CA (Carrier Sense Multiple Access with Collision Avoidance): - Grundlegendes Zugriffsverfahren für alle 802.11-Standards - Geräte überprüfen, ob das Medium frei ist, bevor sie senden - Bei Belegung des Mediums wird eine zufällige Wartezeit (Backoff) durchgeführt - ACK-Frames bestätigen erfolgreiche Übertragungen - RTS/CTS-Mechanismus zur Lösung des Hidden-Node-Problems
Koexistenzprobleme: - Co-Channel Interference: Störungen durch Geräte auf dem gleichen Kanal - Adjacent Channel Interference: Überlappung benachbarter Kanäle - Hidden Node Problem: Knoten können sich gegenseitig nicht “hören” - Exposed Node Problem: Unnötige Blockierung von Übertragungen
Lösungsansätze: - Kanalplanung und Frequenzmanagement - Automatische Kanalwahl und Leistungsanpassung - BSS Coloring in 802.11ax zur besseren Unterscheidung überlappender BSSs - Spatial Reuse Improvement in neueren Standards
Die Sicherheit in WLAN-Netzwerken hat sich über die Jahre erheblich weiterentwickelt:
WEP (Wired Equivalent Privacy): - Erster Sicherheitsstandard für 802.11 - Statische Schlüssel von 64 oder 128 Bit - Basierend auf RC4-Stromchiffre - Schwerwiegende Sicherheitsmängel, heute als unsicher eingestuft
WPA (Wi-Fi Protected Access): - Interimslösung nach den Schwächen von WEP - TKIP (Temporal Key Integrity Protocol) als Verschlüsselungsprotokoll - Häufiger Schlüsselwechsel zur Erhöhung der Sicherheit - Weiterhin auf RC4 basierend, aber mit verbesserten Schlüsselmechanismen
WPA2 (IEEE 802.11i): - AES-CCMP als Verschlüsselungsverfahren - Stärkere kryptografische Algorithmen - Zwei Modi: - WPA2-Personal (PSK): Gemeinsamer Schlüssel für kleine Netzwerke - WPA2-Enterprise: 802.1X/EAP-basierte Authentifizierung für größere Netzwerke
WPA3: - Eingeführt 2018 als Reaktion auf Schwachstellen in WPA2 - Verbesserter Schutz gegen Offline-Wörterbuchattacken durch SAE (Simultaneous Authentication of Equals) - 192-Bit-Verschlüsselung für Enterprise-Umgebungen - Enhanced Open für besseren Schutz in offenen Netzwerken - Forward Secrecy für besseren Schutz vergangener Kommunikation
Neben den Hauptstandards existieren mehrere Erweiterungen für spezielle Anwendungsfälle:
IEEE A802.11e (QoS): - Mechanismen zur Qualitätssicherung für zeitkritische Anwendungen - Einführung von WMM (Wi-Fi Multimedia) mit vier Prioritätsklassen - Verbesserter Zugriffsmechanismus EDCA (Enhanced Distributed Channel Access) - Kontrollierter Zugriffsmodus HCCA für deterministisches Verhalten
IEEE 802.11k (Radio Resource Management): - Verbesserte Messungen und Berichterstattung über Funkbedingungen - Unterstützung für effizienteres Roaming zwischen Access Points - Lastausgleich und Netzwerkdiagnostik
IEEE 802.11r (Fast Roaming): - Beschleunigtes Handover zwischen Access Points - Vorregistrierung und Schlüsselvorhaltung bei benachbarten APs - Wichtig für VoIP und andere zeitkritische Anwendungen
IEEE 802.11v (Wireless Network Management): - Erweitertes Netzwerkmanagement für WLAN-Geräte - Sleep-Modi für bessere Akkulaufzeit - BSS Transition Management zur Optimierung des Client-Roamings - Lokalisierungsdienste und Timer-Synchronisation
IEEE 802.11s (Mesh Networking): - Standard für drahtlose Mesh-Netzwerke - Unterstützung für Multi-Hop-Kommunikation - Pfadauswahl und Routing innerhalb des Mesh-Netzes - Selbstheilung und automatische Konfiguration
IEEE 802.11p (Vehicular Communication): - Anpassungen für den Einsatz in Fahrzeugen (WAVE) - Optimiert für hohe Mobilität und schnell wechselnde Umgebungen - Basis für V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything) - Verwendet dedizierte Frequenzen im 5,9 GHz-Band
Neben Ethernet, DSL und WLAN existieren zahlreiche weitere Standards, die für spezifische Anwendungsfälle oder Netzwerkumgebungen entwickelt wurden.
Powerline-Technologien nutzen die elektrische Verkabelung zur Datenübertragung:
HomePlug AV: - Übertragungsraten bis zu 200 Mbit/s - OFDM-Modulation auf Frequenzen zwischen 2 und 30 MHz - 128-Bit AES-Verschlüsselung
HomePlug AV2: - Erweiterung mit Übertragungsraten bis zu 1,5 Gbit/s - Nutzung des erweiterten Frequenzbereichs bis 86 MHz - MIMO-Technologie auf Stromleitungen - Beamforming zur Signalverstärkung
G.hn (ITU-T G.996x): - Universalstandard für Heimnetzwerke über verschiedene Leitungstypen (Strom, Telefon, Koaxial) - Übertragungsraten bis zu 1 Gbit/s - Vereinheitlichung verschiedener existierender Standards
Für den industriellen Einsatz wurden spezialisierte Ethernet-Varianten entwickelt:
PROFINET: - Basiert auf Standard-Ethernet - Echtzeitfähig mit definierten Zykluszeiten - Drei Leistungsklassen: TCP/IP, RT (Real-Time) und IRT (Isochronous Real-Time) - Weit verbreitet in der Fertigungsautomation
EtherCAT: - Extrem schnelles Industrieprotokoll - On-the-fly-Verarbeitung von Frames - Zykluszeiten im Mikrosekundenbereich - Summenrahmenverfahren zur Effizienzsteigerung
SERCOS III: - Kombination aus Ethernet und SERCOS-Interface - Deterministisches Verhalten für Motion Control - Hardwareunterstützte Synchronisation
EtherNet/IP: - Integriert das Common Industrial Protocol (CIP) in Ethernet - Weit verbreitet in Nordamerika - Unterstützt Standard- und Echtzeit-Kommunikation
Für das Internet der Dinge wurden energieeffiziente Netzwerkstandards entwickelt:
IEEE 802.15.4 (Basis für ZigBee, Thread): - Niedriger Energieverbrauch - Geringe Übertragungsraten (250 kbit/s) - Mesh-Netzwerkfähigkeiten - Frequenzbänder: 868 MHz, 915 MHz, 2,4 GHz
LoRaWAN: - Long Range Wide Area Network - Extrem niedrige Datenraten für maximale Reichweite (bis zu 15 km) - Sehr niedriger Energieverbrauch - Sternentopologie mit Gateways als Vermittler
Sigfox: - Ultra Narrowband-Technologie - Extrem niedrige Datenraten (100 bit/s) - Lange Reichweite und geringer Energieverbrauch - Proprietäre Infrastruktur mit globaler Abdeckung
NB-IoT (Narrowband IoT): - Basiert auf zellularen Standards (3GPP) - Integration in bestehende Mobilfunknetze - Geringe Bandbreite für optimierte Abdeckung - Verbesserter Empfang in Gebäuden und unterirdischen Anlagen
Die Entwicklung und Pflege von Netzwerkstandards ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Interessengruppen einbezieht.
Der typische Standardisierungsprozess umfasst mehrere Schritte:
Initiierung: - Identifikation eines Bedarfs oder Problems - Bildung einer Arbeitsgruppe - Definition des Umfangs und der Ziele
Entwicklung: - Technische Spezifikation und Dokumentation - Mehrere Entwurfsphasen mit Review-Zyklen - Konsensfindung zwischen den Beteiligten
Verabschiedung: - Formale Abstimmung oder Konsensverfahren - Finalisierung des Dokumentes - Veröffentlichung als offizieller Standard
Pflege und Weiterentwicklung: - Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung - Erweiterungen und Korrekturen - Eventuelle Zurückziehung veralteter Standards
Standardisierung hat bedeutende wirtschaftliche und politische Dimensionen:
Patente und intellektuelles Eigentum: - FRAND-Prinzipien (Fair, Reasonable, And Non-Discriminatory) - Patentpools für standardessentielle Patente - Lizenzierungsmodelle zur Förderung der Verbreitung
Nationale und regionale Interessen: - Unterschiedliche regulatorische Anforderungen (z.B. bei Frequenzzuweisungen) - Handels- und Wirtschaftspolitik - Souveränitäts- und Sicherheitsaspekte
Marktdynamik: - De-facto-Standards durch Marktdominanz - Konsortiumsstandards vs. offizielle Standards - Wettbewerbsvorteile durch frühe Beteiligung an der Standardisierung
Die Netzwerktechnik kennt sowohl offene als auch proprietäre Standards:
Offene Standards: - Öffentlich zugängliche Spezifikationen - Entwicklung in transparenten Prozessen - Keine oder geringe Lizenzgebühren - Förderung von Interoperabilität und Wettbewerb
Proprietäre Lösungen: - Kontrolliert durch einzelne Unternehmen oder Konsortien - Oft schnellere Markteinführung innovativer Technologien - Potentielle Vorteile durch vertikale Integration - Risiken durch Herstellerabhängigkeit (Vendor Lock-in)
Die Balance zwischen Offenheit und Innovation ist ein ständiger Aushandlungsprozess in der Netzwerktechnik.
Die Standardisierung in der Netzwerktechnik wird durch mehrere übergreifende Trends geprägt:
Technologiekonvergenz: - Zusammenwachsen von Festnetz und Mobilfunk - Integration von IT- und OT-Netzwerken (Operational Technology) - Vereinheitlichung von Consumer- und Enterprise-Technologien
Protokollkonvergenz: - IPv6 als universelles Adressierungsschema - Ethernet als dominierende Layer-2-Technologie - HTTP/HTTPS als universelle Anwendungsschicht
Software-Defined Networking (SDN): - Trennung von Steuerungs- und Datenebene - Programmierbare Netzwerke - Standardisierte APIs wie OpenFlow
Network Function Virtualization (NFV): - Implementierung von Netzwerkfunktionen als Software - Standardisierte Virtualisierungsplattformen - Flexiblere Bereitstellung von Netzwerkdiensten
Höhere Datenraten: - Evolution zu Terabit-Ethernet - Fortschritte in der optischen Übertragungstechnik - Innovative Modulationsverfahren
Spezialisierte Lösungen: - Time-Sensitive Networking (TSN) für deterministische Kommunikation - Ultrazuverlässige Netzwerke (URLLC) für kritische Anwendungen - Low-Power-Technologien für IoT und Sensornetze
Integrierte Sicherheitsstandards: - Verschlüsselung als Standard (“Encryption by Default”) - Authentifizierungsmechanismen auf verschiedenen Schichten - Post-Quantum-Kryptographie
Privacy-Enhancing Technologies: - Standardisierte Anonymisierungstechniken - Datenschutz durch Technikgestaltung (“Privacy by Design”) - Transparente Datennutzungspraktiken
Standards sind das Rückgrat moderner Netzwerke. Sie ermöglichen:
Die Kenntnis der wichtigsten Standards ist für IT-Fachleute unerlässlich, um:
Die in diesem Kapitel vorgestellten Standards – Ethernet, DSL und WLAN – bilden die Grundlage für den Großteil der heutigen Netzwerkinfrastrukturen und werden auch in absehbarer Zukunft von zentraler Bedeutung bleiben, wenn auch in kontinuierlich weiterentwickelter Form.