Die Klassifizierung von Netzwerken anhand ihrer geografischen
Ausdehnung stellt ein fundamentales Ordnungsprinzip in der
Netzwerktechnik dar. Diese Kategorisierung spiegelt nicht nur die
räumliche Dimension wider, sondern korreliert auch mit spezifischen
technischen Eigenschaften, Anwendungsfällen und historischen
Entwicklungslinien. Die gängigsten Netzwerkkategorien – Local Area
Network (LAN), Metropolitan Area Network (MAN), Wide Area Network (WAN),
Personal Area Network (PAN) und Campus Area Network (CAN) – werden im
Folgenden detailliert betrachtet.
6.1 Local Area Network (LAN)
Ein Local Area Network stellt die grundlegendste und am weitesten
verbreitete Form eines Computernetzwerks dar. Es verbindet Geräte
innerhalb eines begrenzten geografischen Bereichs, typischerweise
innerhalb eines einzelnen Gebäudes oder einer Gruppe benachbarter
Gebäude.
6.1.1 Technische
Charakteristika
LANs zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:
Hohe Datenraten: Moderne LANs operieren
typischerweise mit Geschwindigkeiten von 1 bis 100 Gbit/s
Geringe Latenz: Übertragungsverzögerungen liegen
üblicherweise im Mikrosekundenbereich
Private Infrastruktur: LANs werden in der Regel von
der Organisation betrieben, die sie nutzt
Homogene Übertragungstechnologie: Innerhalb eines
LANs kommt meist eine einheitliche Übertragungstechnologie zum
Einsatz
6.1.2 Verbreitete Technologien
Die dominierenden Technologien im LAN-Bereich sind:
Ethernet (IEEE 802.3): Die meistverbreitete
kabelgebundene LAN-Technologie, die sich über Jahrzehnte von 10 Mbit/s
(10BASE-T) bis hin zu 400 Gbit/s entwickelt hat
Wi-Fi (IEEE 802.11): Der Standard für drahtlose
LANs mit aktuellen Geschwindigkeiten von bis zu 9,6 Gbit/s
(802.11ax/Wi-Fi 6)
Power over Ethernet (PoE): Ermöglicht die
gleichzeitige Übertragung von Daten und elektrischer Energie über ein
Ethernet-Kabel
6.1.3 Topologien und
Architektur
Historisch wurden LANs in verschiedenen Topologien realisiert:
Bus-Topologie: Alle Geräte teilen sich ein
gemeinsames Übertragungsmedium (historisch, heute kaum noch
relevant)
Ring-Topologie: Die Geräte sind in einem Ring
angeordnet, Daten werden von Gerät zu Gerät weitergeleitet (z.B. Token
Ring)
Stern-Topologie: Alle Geräte sind mit einem
zentralen Knotenpunkt verbunden (heute dominierende Topologie mit
Switches als Mittelpunkt)
Baum-Topologie: Hierarchische Anordnung von
Stern-Topologien (typisch für größere LANs)
Die moderne LAN-Architektur basiert auf einem hierarchischen Design
mit:
Access Layer: Anschluss der Endgeräte
Distribution Layer: Aggregation des Verkehrs und
Implementierung von Richtlinien
Core Layer: Hochgeschwindigkeits-Backbone für die
Weiterleitung zwischen verschiedenen Netzwerksegmenten
6.1.4 Anwendungsbereiche
LANs bilden die Grundlage für nahezu alle lokalen IT-Infrastrukturen
und werden eingesetzt in:
Unternehmensumgebungen für die Verbindung von Arbeitsplatzrechnern,
Servern und Peripheriegeräten
Bildungseinrichtungen für den Zugriff auf gemeinsame Ressourcen und
das Internet
Heimnetzwerken für die Verbindung privater Geräte
Rechenzentren für die Anbindung von Servern und
Speichersystemen
6.2 Wide Area Network (WAN)
Im Gegensatz zu LANs überbrücken Wide Area Networks große
geografische Distanzen und verbinden verteilte Netzwerke über Städte,
Länder oder Kontinente hinweg.
6.2.1 Technische
Charakteristika
WANs unterscheiden sich von LANs durch:
Größere Latenz: Bedingt durch größere Distanzen und
mehr Vermittlungsstellen, typischerweise im Millisekunden- bis
Sekundenbereich
Geringere Bandbreite: Traditionell niedriger als in
LANs, jedoch zunehmend Annäherung durch moderne Technologien
Nutzung öffentlicher Infrastruktur: WANs nutzen oft
Leitungen und Dienste von Telekommunikationsanbietern
Personal Area Networks stellen die kleinste Netzwerkkategorie dar und
dienen der Verbindung von Geräten im unmittelbaren persönlichen Umfeld
einer Person.
6.4.1 Technische
Charakteristika
PANs zeichnen sich aus durch:
Sehr geringe Reichweite: Typischerweise unter 10
Metern
Geringe bis mittlere Datenraten: Je nach
Technologie von wenigen kbit/s bis zu mehreren Gbit/s
Einfache Konfiguration: Oft mit Mechanismen für
automatische Erkennung und Verbindung
Energieeffizienz: Viele PAN-Technologien sind für
batteriebetriebene Geräte optimiert
6.4.2 Verbreitete Technologien
Die dominierenden PAN-Technologien sind:
Bluetooth - weit verbreiteter Standard mit verschiedenen Profilen
für unterschiedliche Anwendungen
Bluetooth Classic: Für Audioübertragung und höhere Datenraten
Bluetooth Low Energy (BLE): Für energieeffiziente Anwendungen
NFC (Near Field Communication) - für kontaktlosen Datenaustausch
über sehr kurze Distanzen (wenige Zentimeter)
Wireless USB - drahtloser Ersatz für USB-Verbindungen
IEEE 802.15.4 - Basisstandard für viele WPAN-Technologien
Zigbee - energieeffizientes Protokoll für Smart-Home-Anwendungen
basierend auf IEEE 802.15.4
Thread - IPv6-basiertes Protokoll für IoT-Geräte im Heimbereich
basierend auf IEEE 802.15.4
UWB (Ultra-Wideband) - aufstrebende Technologie mit hoher Präzision
für Indoor-Tracking und Datenübertragung
6.4.3 Anwendungsbereiche
PANs werden primär eingesetzt für:
Verbindung von Wearables (Smartwatches, Fitness-Tracker) mit
Smartphones
PANs fungieren oft als Schnittstelle zwischen dem Benutzer und
größeren Netzwerken:
Smartwatches kommunizieren über Bluetooth mit dem Smartphone (PAN)
und von dort über Mobilfunk ins Internet (WAN)
Smart-Home-Geräte verbinden sich über PAN-Technologien mit einem
zentralen Gateway, das wiederum ans Internet angebunden ist
6.5 Campus Area Network (CAN)
Ein Campus Area Network verbindet mehrere LANs innerhalb eines
begrenzten geografischen Bereichs wie einem Universitätsgelände oder
einem Unternehmenskomplex.
6.5.1 Technische
Charakteristika
CANs weisen folgende Merkmale auf:
Mittlere geografische Ausdehnung: Typischerweise
über mehrere Gebäude verteilt
Hohe Bandbreite: Meist basierend auf
Glasfaserverbindungen zwischen Gebäuden
Einheitliche Administration: Typischerweise von
einer zentralen IT-Abteilung verwaltet
Segmentierte Struktur: Unterteilung in verschiedene
Funktionsbereiche oder Organisationseinheiten
6.5.2 Architektur und Design
CANs werden typischerweise nach dem hierarchischen
Drei-Schichten-Modell gestaltet:
Core Layer: Hochgeschwindigkeits-Backbone zwischen
Gebäuden
Distribution Layer: Verbindung zwischen Core und
Access Layer, Implementation von Policies
Access Layer: Anbindung der Endgeräte
Moderne CAN-Architekturen integrieren zunehmend:
Spine-Leaf-Topologie: Flachere Hierarchie für geringere Latenz,
besonders vorteilhaft bei dominierendem East-West-Traffic (Kommunikation
zwischen Endgeräten auf dem Campus ohne Durchlauf durch zentrale
Gateways)
Fabric-basierte Designs: Vereinfachte Administration und höhere
Flexibilität
SDN-Konzepte: Zentrale Steuerung und Programmierbarkeit des
Netzwerks
6.5.3 Besonderheiten im Vergleich
zu LANs und MANs
CANs nehmen eine Zwischenstellung zwischen LANs und MANs ein:
Im Gegensatz zu LANs erstrecken sie sich über mehrere Gebäude
Im Gegensatz zu MANs werden sie typischerweise von einer einzelnen
Organisation betrieben
Höhere Sicherheitsanforderungen als typische LANs, aber
einheitlichere Policies als MANs
Oft Integration spezialisierter Netzwerke wie Gebäudeautomation oder
Sicherheitssysteme
6.5.4 Typische
Anwendungsszenarien
CANs kommen typischerweise zum Einsatz in:
Universitäten und Bildungseinrichtungen
Krankenhäusern und medizinischen Zentren
Unternehmenshauptsitzen und Technologieparks
Behördenkomplexen und Verwaltungszentren
Forschungseinrichtungen mit verteilten Laboren
6.6 Überlappungen und fließende
Übergänge
Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Netzwerkkategorien ist
nicht immer eindeutig und hat sich im Laufe der technologischen
Entwicklung immer wieder verschoben.
6.6.1 Technologische
Konvergenz
Traditionelle Unterschiede zwischen den Netzwerkkategorien
verschwimmen zunehmend:
Ethernet hat sich von einer LAN-Technologie zu einer universellen
Lösung entwickelt, die auch in MANs und WANs eingesetzt wird (Carrier
Ethernet)
IP als vereinheitlichendes Protokoll über alle Netzwerkkategorien
hinweg
Virtualisierung ermöglicht die Abstraktion von der physischen
Infrastruktur
Ein praktisches Beispiel für diese Überlappung: Ein vernetzter
E-Scooter in einer Smart City nutzt parallel mehrere Netzwerkkategorien:
- Ein PAN zur Kommunikation mit dem Smartphone des Fahrers (über
Bluetooth) - Ein MAN für die Interaktion mit städtischer Infrastruktur
(über 5G oder NB-IoT) - Ein WAN für das zentrale Flottenmanagement und
Updates in der Cloud
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie moderne IoT-Geräte nahtlos
verschiedene Netzwerkkategorien nutzen, um unterschiedliche
Anforderungen zu erfüllen.
6.6.2 Cloud und Edge Computing
Moderne Anwendungsparadigmen verändern die Bedeutung geografischer
Grenzen:
Cloud-Dienste verschieben Rechenleistung aus lokalen LANs in
zentrale Rechenzentren
Edge Computing bringt Rechenleistung zurück an den Rand des
Netzwerks, näher am Benutzer
Hybride Architekturen kombinieren lokale Ressourcen mit
Cloud-Diensten
6.6.3 Mobilität und Ubiquitous
Computing
Die zunehmende Mobilität von Endgeräten führt zu neuen
Herausforderungen:
Nahtloser Übergang zwischen verschiedenen Netzwerkkategorien (z.B.
von WLAN zu Mobilfunk)
Konsistente Sicherheits- und Zugriffsrichtlinien über verschiedene
Netzwerktypen hinweg
6.7 Einordnung und Relevanz im
modernen Netzwerkdesign
Die Kategorisierung von Netzwerken nach ihrer geografischen
Ausdehnung bleibt ein nützliches Konzept für das Verständnis
grundlegender Eigenschaften und Anforderungen verschiedener
Netzwerktypen. Gleichzeitig führen technologische Entwicklungen zu einer
zunehmenden Konvergenz und Verschmelzung dieser Kategorien.
Zukünftige Netzwerkarchitekturen werden wahrscheinlich weniger durch
geografische Grenzen als durch funktionale Anforderungen definiert
werden. Die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen
Netzwerken, zwischen gesicherten und ungesicherten Bereichen, zwischen
hoher und niedriger Dienstgüte wird dabei an Bedeutung gewinnen.
Für Netzwerkspezialisten bleibt es wichtig, die grundlegenden
Eigenschaften und Anforderungen der verschiedenen Netzwerkkategorien zu
verstehen, um angemessene Lösungen für spezifische Anwendungsfälle zu
entwickeln – auch wenn die Grenzen zwischen diesen Kategorien zunehmend
fließend werden.